Patrick Gmür


Patrick Gmür ist in der Schweiz aufgewachsen und erlangte einen Master in Architektur an der ETH Zürich. Auch in Zürich gründete er ein Architekturbüro und gewann mit seinen Arbeiten zahlreiche Auszeichnungen und Preise. Seine Lehrtätigkeit als Dozent umfasst Gastprofessuren in Wien, Madrid und St. Louis.

Grundpfeiler seiner Planungs- und Entwicklungsarbeiten sind Nachhaltigkeit, haushälterischer Umgang mit Ressourcen und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unter Einbezug des baukulturellen Erbes. 

Von 2009 – 2016 war er Direktor des Amtes für Städtebau der Stadt Zürich und war verantwortlich für deren Stadtplanung sowie für die Denkmalpflege.

Seit Oktober 2016 ist Patrick Gmür wieder Mitinhaber des ursprünglich von ihm gegründeten Architekturbüros SGGK in Zürich. Im November 2016 wurde er zudem zum Vorsitzenden des städtebaulichen Gestaltungsbeirates von Stuttgart gewählt. Neben der Landeshauptstadt Stuttgart berät er die Städte Reutlingen und Konstanz in städtebaulichen und architektonischen Fragen.

Warum, denkst du, bist du so erfolgreich?

Ich liebe es, zu gestalten. Ich zeichne und kreiere gerne, aber ich bin kein Künstler – ich bin Architekt. Der Unterschied zwischen einem Künstler und einem Architekten besteht darin, dass der Künstler einen grossen Spielraum hat. Als Architekten haben wir immer Anforderungen, Spezifikationen und Vorschriften.

Ich mag es sehr, ein Ziel, ein Programm, einen Plan zu haben, und ich liebe es, über diesen Plan in meinem Kopf nachzudenken und dann mit dem Zeichnen zu beginnen und meine Ideen zu Papier zu bringen. Ich liebe diese Art von Arbeit wirklich. Wenn ich an einem Wettbewerb teilnehme, möchte ich gewinnen.

Mir gefällt es weiterzumachen, weiterzumachen, weiterzumachen und zu versuchen, immer besser und besser zu werden. Es ist Neugier, Hartnäckigkeit und Widerstandsfähigkeit. Ich denke, Architekt ist der schönste Beruf. Eine Work-Life-Balance hat für mich keine Bedeutung; ich bin glücklich, Architekt zu sein, und das Architekt sein ist mein Leben.

Am Ende sehe ich, was ich geplant habe, physisch konstruiert. Ich sehe das Ergebnis. Ich mag es wirklich, dass das Gebäude am Ende real ist, dass ich hindurchgehen kann. Ich kann sehen und berühren, was in meinem Kopf war. Es ist physisch da, dreidimensional, aus Beton, Holz oder etwas anderem gebaut. Man kann es berühren, man kann es fühlen, man kann es riechen. Man hört es, man hat das Echo, das ist Realität.

Ich muss im Büro mit Pech umgehen, aber ich habe gelernt, dass Unglück eine Chance bietet, es besser zu machen. Wenn etwas schiefgeht, ist es eine Herausforderung, eine andere Lösung zu finden

Meine Architektur zielt darauf ab, die Bewohner glücklich zu machen. Es geht nicht darum, berühmt zu sein, es geht nicht darum, das meiste Geld zu verdienen, sondern darum, andere glücklich zu machen. 

Es ist nicht für mich, es ist für den Kunden Wenn etwas schiefgeht, ist es meine Herausforderung, eine andere Lösung zu finden

Ich bin mein grösster Kritiker. Das ist gut, denn das Ergebnis muss so gut wie möglich sein, dann bin ich erfolgreich. Mein persönliches Ziel ist es, Lösungen zu finden, die alle glücklich machen. Das ist mein Ziel.

Um den Tag gut zu beginnen, bügele ich immer mein Hemd, das mache ich jeden Tag als Ritual. Das ist der Moment für mich, um mit dem Denken zu beginnen.

Hast du ein Vorbild oder einen Menschen, der dich besonders beeinflusst hat? 

Ich bin in einem Architektenhaus aufgewachsen. Will heißen, ich wurde quasi imprägniert von der Jugend an und habe später gemerkt, wie förderlich das war. Natürlich habe ich Vorbilder. Die Meister der Moderne interessieren mich seit meinem Studium, wie zum Beispiel Le Corbusier oder Alvar Aalto. Aber auch die Arbeit von Herzog & de Meuron oder das Werk von Alvaro Siza studiere ich immer wieder von neuem und besuche deren Bauten.

Was ist der Einfluss von Kunst und Natur auf dein Leben?

Der Einfluss ist enorm. Es ist mein Interesse an Kunst und an Farben (siehe «Gut zu wissen»). Ich bin ein Sammler und ich mag ein Haus voller Kunst. Kunstwerke sind die Erinnerungen an mein Leben. Zum Beispiel, wenn ich einen Preis gewinne, kaufe ich ein Gemälde, und dieses Stück wird mich immer an diesen Moment erinnern. Bei besonderen Anlässen kaufe ich immer etwas wie einen Stuhl oder eine Skulptur, und sie bleiben die Erinnerungen an die besonderen Momente. Sie zeigen, wie das Leben weitergeht, und jedes Stück steht für eine besondere Erinnerung an eine besondere Zeit.

Ich liebe es, in Bewegung zu sein. Ich laufe gerne oder treibe Sport. Ich weiss, dass es besser für mich ist, und auch besser für die Mitarbeiter, wenn ich von zu Hause ins Büro laufe. Es gibt mir die Gelegenheit, darüber nachzudenken, was der Tag bringen wird. Der gleiche Spaziergang findet abends statt, ich denke darüber nach, was am Tag passiert ist. Das Gute, das Schlechte und so weiter. Ich lasse all das irgendwo zwischen dem Büro und meinem Zuhause zurück und muss meine Frau nicht mit Problemen aus dem Büro belasten.

Ich gehe wirklich gerne in der Natur spazieren, sehe den Wechsel der Jahreszeiten, fühle die unterschiedlichen Temperaturen, die verschiedenen Gerüche. Wenn ich von zu Hause ins Büro gehe und abends zurück, nehme ich nicht den kürzesten Weg, sondern den schönsten Weg. Deshalb gehe ich durch einen Friedhof. Es ist interessant, weil der Friedhof selbst wie eine Stadt ist. Es gibt Wege, Plätze und viele Grünflächen. Ich sehe die Gräber und kann erkennen, wie sehr und ob der Verstorbene geliebt und respektiert wurde. Für mich ist es wichtig zu sehen, wie die Gräber und die Inschriften das Leben widerspiegeln. Es ist ein sehr schöner Friedhof, und das Schönste daran ist: Ich komme entspannt nach Hause. Ich lade mich bei meinen Spaziergängen leicht wieder auf.

Welchen Ratschlag würdest du einem jungen Menschen geben?

Nutze die sich dir bietenden Gelegenheiten. Wahrscheinlich hatte noch keine Generation jemals so viele Möglichkeiten wie die jetzige. Die Herausforderung besteht darin, die richtige zu finden. Wenn du jung bist, hast du alle Optionen. Ich wünsche allen Menschen, dass sie etwas finden, das sie zufrieden und glücklich macht, sei es in ihrer Arbeit oder im Privatleben.

Es braucht Glück, und Glück braucht auch Glück. Ich bin überzeugt, dass man sein Glück ein wenig beeinflussen kann. Man muss darauf achten, und dann kann man es finden. Manchmal findet es auch dich. Um glücklich zu sein, braucht man manchmal eine Niederlage oder man bekommt nicht sofort, was man will. Ich empfehle, darüber nachzudenken und dann die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.

Zu jungen Menschen würde ich sagen: Jetzt ist eine Zeit, in der du mehr Möglichkeiten hast als je zuvor. Die richtige zu finden ist schwierig, aber finde etwas, das dich individuell zufrieden macht. Diese Generation könnte Dinge anders angehen als frühere, indem sie andere Ziele und Werte verfolgt. Unsere Generation hatte sicherlich gute Werte, die nun weiter vorangetrieben und entwickelt werden sollten.

Bewegungen, die sich auf Nachhaltigkeit und den Klimawandel konzentrieren, sind bedeutende Herausforderungen. Es ist entscheidend, dass junge Menschen sich dieser Probleme bewusst sind. Vor einigen Jahren war das Thema Klima vielleicht noch nicht so relevant, aber jetzt ist es ein riesiges Problem. Du musst dich damit auseinandersetzen, die richtigen Schlüsse ziehen und lernen, damit richtig umzugehen. Es gibt immer wieder Punkte, an denen Korrekturen oder Änderungen notwendig werden.

Wir lernen alle ständig. Bleib neugierig; das ist vielleicht der wichtigste Punkt. Jeder sollte herausfinden, was für ihn oder sie gut ist. Es ist wichtig, fokussiert zu sein, neugierig zu bleiben und herauszufinden, was einen wirklich interessiert. Wenn du Leidenschaft für deinen Beruf hast, bringt das Glück. Ich habe das in meinem Leben gefunden, da mein Beruf mein Leben umfasst. Lerne dich selbst kennen.

Wenn du eine ideale Welt oder Utopie erschaffen könntest: Wie würde sie aussehen?

In einer idealen Welt würden alle Menschen und das, was sie tun, geschätzt und respektiert – unabhängig davon, wer was macht. Es wäre ein Ort, an dem wir wieder lernen, Respekt und Akzeptanz zu üben, was Hand in Hand mit Gleichheit geht. Jeder hätte die Möglichkeit, seine Arbeit zu geniessen. Ich fühle mich privilegiert, einen Beruf zu haben, der mir so viel Freude bereitet und mich glücklich macht. Jeder sollte diese Möglichkeit haben.

Respekt vor den Mitmenschen fördert auch die Wertschätzung. Nur wenn ich Respekt vor dem anderen habe, kann ich ihn auch richtig wertschätzen.

«Meine Architektur zielt darauf ab, die Bewohner glücklich zu machen. Es geht nicht darum, berühmt zu sein, es geht nicht darum, das meiste Geld zu verdienen, sondern darum, andere glücklich zu machen.» 

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Gut zu wissen

Aber die Frage ist ja nicht, gefällt mir ein Kunstwerk oder gefällt es mir nicht.  Sondern: warum berührt es und warum berührt es nicht.

Ich muss wirklich sagen, dass mich Architektur und Farbe enorm interessieren. Ob man eine Wand nun weiß oder golden oder gelb streicht, es ist gleich teuer, aber man schafft eine ganz andere Atmosphäre. Es ist also interessant, sein Wissen auf die praktische Arbeit anzuwenden. Wenn man anfängt, sich mit dem Thema zu beschäftigen, wie die Wirkung von Farbe funktioniert und was die Wirkung der Wirkung ist, wächst das Interesse.  Man muss die räumliche Wirkung der verschiedenen Farben berücksichtigen. Also, zum Beispiel, ein braunes Haus oder eine braune Wand, wirkt eher näher. Wenn man etwas blau streicht, verschwindet es. Wenn man in einem niedrigen Raum die Decke blau streicht, ist es, als ob man ein Auge schließt. Man hat das Gefühl, sie fliegt weg. Es gibt Farben, die reflektieren eher das kalte Morgenlicht. Dann gibt es Farben, die eher das warme Abendlicht betonen, z. B. Orange, damit kann man arbeiten. Wenn man eine Wand, die nach Westen ausgerichtet ist, orange streicht und die Sonnenstrahlen darauf scheinen, beginnt sie zu leuchten. Wenn das kalte Morgenlicht auf ein helles Grün scheint, wird die Atmosphäre kühl.

Ein Kunstmaler kommt einmal in der Woche zu uns ins Büro. Und er malt nicht nur, sondern wir besprechen mit ihm auch Materialisierungskonzepte. Und was ihn so extrem interessant macht, ist sein Gespür für Farben, wie er Farben kombinieren kann. Bei einem Schulhaus, das wir umgebaut haben, sind es vier Farben. Drei passen zusammen und die vierte ist eine Komplementärfarbe. Aber diese Farben wirken immer harmonisch. Die Komplementärfarbe ergänzt die anderen Farben immer, bringt sie zur Geltung und umgekehrt. Hier bei James haben wir mit einer Farbpalette gearbeitet, die er so gestaltet hat, dass wir 20 Farben hatten, 18 Farben, die einfach blind zusammengepasst haben und die wir dann ohne hinsehen kombinieren konnten. Und so können wir einen Reichtum mit einem riesigen Potential erzeugen. Und wodurch man eben zum Beispiel jede Wohnung unterscheiden kann. Jedes Bad hat drei Farben und unterscheidet sich von den anderen.

Wir konnten das einfach kombinieren, so hat jedes Bad eine andere Farbkombination bekommen. Man meint ja, die Leute hätten Angst vor zu viel Farbe, aber die Mieter finden es super. Ich habe ganz viele, die hier neu eingezogen sind, die sagen: «Das ist super, jetzt habe ich gerade noch alle Tücher gewechselt, dass das Tuch passt.» Ich meine, so generieren wir einen Mehrwert und erzeugen eine Identität. Also das Kind kann sagen: «Ich wohne da, wo es orange ist.» Das nächste sagt: «Ich wohne im Blauen.» Das dritte Kind sagt: «Ich wohne im grünen Treppenhaus.» Und so finden die kleinen Knöpfe nachhause. Farben finde ich extrem interessant es entsteht eine Vielfalt, die mich fasziniert. Ich will keine Monotonie, oder immer das Gleiche machen. Unsere Bauten sollen immer eine eigene Identität haben. Wir haben auch schon Häuser gemacht, die einfach nur in Grautönen und weiß gehalten sind. Wir haben bewusst nur mit verschiedenen Grautönen gearbeitet. 

Man muss neugierig sein und mit offenen Augen durch die Welt gehen. Jede Reise, alles hat mit Architektur und Farben zu tun. Von Überall kann ich etwas nach Hause nehmen. 

Ich war in Mexiko mit diesen vielen farbigen Häusern in all ihren Farbkombinationen. Dann habe ich in einem Farbladen eine Farbkarte aus den 50er-Jahren gefunden. Dann habe ich gefragt, ob ich die kaufen kann. «Die kannst du mitnehmen, die ist alt.» Das war die Ausgangslage dieser Farben hier. Mit einer mexikanischen Farbkarte aus den 50er Jahren haben wir angefangen und dann haben wir die Farbkonzepte weiterentwickelt. In der Architektur ist interessant wie kreativ kann ich sein oder werden? Was ist Kreativität überhaupt? Vielleicht ist es nur, dass jemand am richtigen Ort die mexikanische Farbkarte in die Schweiz mitnimmt und hier anwendet. Dann ist man schon ein bisschen kreativ dadurch, dass man das quasi auf die Schweiz herunterbricht. Und dann ist es ein bisschen exotisch und ein bisschen anders. Das ist, was ich interessant finde.