Katrin von Hallwyl


Katrin von Hallwyl wurde in Deutschland geboren und ist dort auch aufgewachsen.
Sie studierte Hotel Management und gründete 2011 ihren ersten Onlineshop ShaveLab. 2014 vergrößerte sie ihr Unternehmen um BeautyLab und die Marke ikoohair.  Der Fokus liegt auf Innovation, Qualität und Design und so entstehen hochwertige Produkte, die vegan und PETA-geprüft sind. Die Verpackungen sind aus recycelten Dosen und sind wiederum recycelbar. ikoo ist damit ganz und gar modern und mit 675% Wachstum in drei Jahren eines der am schnellsten wachsenden Unternehmen Deutschlands.

Warum, denken Sie, sind Sie so erfolgreich?

Ich glaube, um erfolgreich zu sein, muss man grundsätzlich Empathie haben und gut sein im Umgang mit Menschen. Ich glaube, wenn man das nicht kann, dann ist es nicht möglich, erfolgreich zu sein. Ich bin ja in so einem People Business. Ich bin ja nicht in der Forschung oder so. Und deswegen musst du ja auch die Leute für dich gewinnen und motivieren können und sie dadurch erst mal verstehen. Anders geht es nicht. Heutzutage ist ja auch, sage ich mal, die finanzielle Motivation nur noch ein Teil des Arbeitsplatzes. Es funktioniert heut über ganz andere Dinge. Klar ist das elementar, man muss seine Miete und seine Lebenshaltungskosten bezahlen können. Aber das ist ja auch für junge Menschen gar nicht mehr der Antrieb.

Ich glaube aber, dass es immer schon Teams waren oder Abteilungen. Es wurde nur nie kommuniziert. Es gab früher in vielen Firmen so ein Patriarchat oder den Oberpatriarchen, der im Vordergrund stand. Aber eigentlich hätte der ja auch ohne seine Truppe nie was erreicht.

Ich bin schon ein gewisser Fan von – ich will gar nicht Hierarchie sagen – aber von gewissen Führungsebenen, damit die Menschen Anhaltspunkte haben. Ich sage immer, so ganz flache Hierarchien, das ist für viele nicht greifbar. Vor allem auch wenn man junge Leute hat, die gerade aus dem Studium kommen und den ersten Job haben. Die müssen einfach jemanden haben, der dazwischengeschaltet ist, mit dem sie auch täglich sprechen können und sagen: «Du, ich komme nicht weiter. Hilf mir!» Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass man schon gewisse Ankerpunkte setzt innerhalb der Abteilungen. Aber das muss man auch erkennen können. Es gibt ja Leute, die defizitär sind in ihrem Selbstbewusstsein. Und dann sind die viel damit beschäftigt, irgendwas zu überspielen. Die können sich auf das, was die Basis ist, um bescheiden zu sein oder auch humble zu sein, gar nicht reduzieren, weil das in ihrer Vorstellung nicht vorkommt. Ich glaube, man muss auch schon, sage ich mal, so gegroundet sein. Man muss eine gute Basis haben und vor allen Dingen dann auch eben die Erlebnisse verwerten und auch sagen: «Ich habe was gelernt aus dem, was mir passiert ist.» Deswegen kann ich bescheiden sein. Oder muss ich humble sein, denn ich bin so – nicht geläutert, das ist das falsche Wort. Ob man geerdet ist oder geerdet worden ist, macht im Endeffekt gar keinen Unterschied mehr. Die Tatsache ist, dass man einfach weiß, wie wichtig es ist, eine Basis zu haben, und mit dem, wie es ist, auch zufrieden zu sein. Und ich glaube, daraus kann wahre Größe entstehen, weil man auch daraus sehr viel Kraft schöpft, weil man sich auf das fokussiert, was wichtig ist. Man ist so fokussiert auf das Rechts, dass Links einfach gar nicht mehr wichtig ist. Und wenn man das einzuordnen weiß, dann kann einen das sehr viel weiter und in die Ruhe bringen, aber darin liegt ja auch die Stärke. Aus der Ruhe schöpft man viel mehr Kraft und viel mehr Energie, um voranzugehen. Ich finde das auch bei Sportlern immer so interessant, wenn man immer von deren physischer Stärke spricht und wie sie jetzt Saisonen durchspielen und was ihr Training ist und was ihr – wie sagt man – ihr Regiment ist, ihre Diäten und wie sie das alles machen. Und wenn man dann aber mit tatsächlichen Profi-Sportlern spricht, dann sagen die immer, sie arbeiten eigentlich nicht nur an ihrer körperlichen, sondern vielmehr auch an ihrer geistigen Stärke. Was mache ich? Wie präsent bin ich? Was sind meine Pausen? Wie entspanne ich mich? Wie meditiere ich? Ein stabiles Leistungsniveau hängt zu 50 Prozent genauso von meiner geistigen Stärke ab wie von meiner körperlichen Stärke. Und ich habe das ganz stark in meiner Diagnose gemerkt, in meiner Therapie auch. Dass ich gemerkt habe, dass der Geist und der Körper so unmittelbar zusammenhängen und dass ich mir ja auch von Anfang an eine Therapeutin gesucht habe, die mich durch diese Therapie durchcoacht. Ich habe gesagt: «Ich kann es nicht alleine machen. Und ich kann das auch nicht mit meinen Freunden oder meiner Familie machen, die können mich nicht therapieren.» Ich brauchte jemanden, der sagt: «Ich kenne mich damit aus. Ich weiß, was du tun musst. Du musst das so und so machen, damit du aus dieser Therapie einen Ausweg siehst.» Ansonsten geht das nicht.

Weil ich früher teilweise Dinge viel zu emotional betrachtet habe, war ich in meinen Augen sehr gut in meinem Job und dann aber in vielen Aspekten total schlecht als Chef.

Dann war ich zwar vielleicht nicht unfair, habe aber falsche Entscheidungen getroffen, weil ich zu schnell eine Entscheidung herbeiführen wollte, zu ungeduldig war. Also es gibt schon so viele Facetten, wo ich mir gesagt habe: «Ich muss mir jemanden nehmen, der senioriger ist, der älter ist, der mich berät.» Und ich glaube, das ist auch so ein ganz großer Punkt, den ich im Älterwerden oder in meiner Laufbahn gelernt habe: Man muss gar nicht alles selber können. Man muss nicht von vornherein immer voraussetzen, dass man alles selber kann. Und das hat mir auch in meiner Therapie wahnsinnig geholfen, weil ich gesagt habe, ich bin bereit, diese Therapie zu machen. Ich bin bereit, die auch mit all meiner Kraft, zu machen. Und auch konsequent die Dinge zu tun, die mein Arzt mir vorgibt. Ich mache mit. Aber ich muss mir helfen lassen, denn ich kann es nicht alleine machen. Und das ist etwas, das mir unwahrscheinlich viel Ruhe gegeben hat: Dass ich wusste, ich gehe am Montag zu meiner Akupunktur. Und am Mittwoch zu meiner Psychotherapeutin. Und dann gehe ich noch zu meiner Onkopsychologin. Die haben mich da einfach so durchbalanciert. Und ich glaube, das ist dasselbe wie in einer beruflichen Krisensituation. Du musst nicht alles selbst können. Du kannst dir auch einen Ratschlag holen. Frauen in Führungspositionen neigen dazu, dass sie dann immer denken, sie müssen doppelt so hart oder doppelt so stark ihren Mann stehen. Es heißt ja auch nicht «ihre Frau stehen». Das heißt ja immer «ihren Mann stehen». Das muss man ja eigentlich gar nicht. Und ich habe gelernt, mal einen Schritt zurück zu machen und durchzuatmen und sich auch mal einen Rat einzuholen oder zu sagen: «Ich kann die Entscheidung heute nicht treffen. Ich treffe die Entscheidung morgen.» Und dann noch mal drüber nachzudenken. Und auch mit einfachen Maßstäben heranzugehen, nicht mit so verrückten Maßstäben, das hat mir wahnsinnig viel gebracht, sowohl beruflich als auch in der Therapie.

Ich fand eindrücklich, was ich als Patientin erlebt habe. Ich bin eigentlich entsetzt darüber, dass man in der ersten Phase einer Therapie alleine gelassen wird. Wenn man eine Therapie beginnt, wird man sehr stark konditioniert, dass man eben seine onkologischen Termine wahrnimmt und dass man pünktlich diesen Chemo-Rhythmus einhält und dass man dieses und jenes macht. Alles, was der Onkologe in seiner onkologischen Therapie einem eben vorgibt. Aber es kommt keiner auf die Idee einem zu raten, begleitend zu dieser Therapie eine psychoonkologische Therapie zu machen. Es gibt keinen Therapieplan, der das vorsieht. Das gibt es nicht, das gibt es überhaupt nicht. Das gibt es weder in der Schweiz, noch in Österreich, noch in Deutschland. Das gibt es nirgends. Ich habe mich erkundigt. Das gibt es nicht. Und ich bin ja jetzt noch in einer privilegierten Situation, weil ich gut versichert bin. Ich gehe und suche mir jemanden. Aber als Mutter mit drei Kindern, die so schon in einer total verheerenden Situation ist, zu sagen: «Ich bin gar nicht mehr fähig, nach der Chemo richtig zu arbeiten und mich richtig aufzurichten», weil es dir nicht gutgeht, weil du erstmal 24 Stunden lang wie mit dem Hammer auf den Kopf geschlagen im Bett liegst. Der Frau muss man so oder so eine psychische Unterstützung geben, um klarzustellen: «Es ist nicht deine Schuld, dass du das bekommen hast.» Das haben ja viele Frauen, diese Stigmata. Viele Frauen denken, sie hätten etwas falsch gemacht, dass ihnen das jetzt passiert ist. Habe ich ganz oft erlebt. Frauen fühlen sich – vor allem Frauen aus Kulturen wie dem Mittleren Osten oder so – in erster Linie schuldig, dass sie die Familie im Stich lassen.

Die brauchen jemanden, der sie da durchcoacht, der ihnen hilft und auch mal sagt: «Es geht jetzt nur um dich. Es geht nicht um die Kinder. Und die Kinder brauchen eine Mutter auf lange Distanz. Jetzt geht es nur um dich. Du musst jetzt an dich denken.» Und das muss man immer wieder. Deine mentale Stärke und deine psychische Gesundheit sind ein wichtiger Teil, damit die Therapie Erfolg hat.

Darüber wird aber nicht aufgeklärt. Ich finde, das ist ein Riesenfehler. Und ich bin fast wütend. Also, ich bin ja dann jemand… ich bin gut erzogen. Aber wenn ich dann an einen gewissen Punkt komme, der mich so ohnmächtig macht, dann werde ich immer wütend. Das ist meine menschliche Schwäche. Ich werde dann sauer. Ja, ist dann halt so.

Und das muss man ja verfolgen, indem man an seiner geistigen Konditionierung arbeitet. Und das geht, meiner Meinung nach, natürlich schon mit Ankerpunkten – wenn du sagst, ich mache mehr Sport oder ich ernähre mich gesund. Oder ich gehe mehr in den Wald. Aber zu Ende ist es damit ja nicht. Denn selbst, wenn du zurück in deine Familie gehst, das ist ja nicht nur ein Trauma für dich. Das ist ja auch ein Trauma für deine Familie. Die sind ja da. Gut, wenn du alleine lebst, dann musst du alleine zurechtkommen. Aber die anderen sind ja da. Es ist ja auch immer da, du wirst ja erinnert. Es ist dir ja immer bewusst, es lebt ja mit dir. Für mich ist auch das Engagement, das ich aktuell habe, und auch alle hier Involvierten, wichtig. Ich sage es so: Für mich hat die Krankheit hier und jetzt gar nichts Negatives mehr. Für mich hat die absurderweise – auch wenn es jetzt erst zwei oder drei Jahre her ist – in dem Sinn was Positives, dass ich den Verlauf und alles, wie das eigentlich für mich war… Natürlich war das eine sehr, sehr große Belastung. Und natürlich war diese Therapie sehr anstrengend. Eine Chemotherapie ist mit Sicherheit eine der härtesten Therapieformen, die man erleben kann, weil die dich auch psychisch so verändert und belastet. Aber am Ende hat es für mich hier und heute total Sinn gemacht, weil ich die Möglichkeit habe, so vielen anderen zu helfen. Ich kann helfen, Aufmerksamkeit zu schaffen. Ich kann helfen, vielleicht sogar Leuten das Leben zu retten. Vielleicht gehen Sie heute nach Hause und sagen: «Mensch, ich war eigentlich schon lange nicht mehr bei einer Vorsorgeuntersuchung. Ich gehe mal wieder.» Dann habe ich vielleicht Ihnen geholfen. Und das ist das, was ich eigentlich will. Dieser ganz kleine Gedankenstoß, zu sagen: «Oh, ich gehe lieber mal wieder zum Arzt. Ich gehe mal wieder zur Mammographie oder zu einem Abstrich. Ich lasse mich einfach mal wieder anschauen. Und dann kann ich für mich so eine Sinnglocke über das Ganze machen. Das hat jetzt für mich – das hatte einen Sinn, dass ich das bekommen habe.

Und das ist für mich so meine Ratio. Ich bin in meiner sozialen Verantwortung stark ausgeprägt. Was ich erlebt habe kann ich so im Rahmen meiner Möglichkeiten weitergeben und kann Leuten sagen: «Das ist nicht schön, aber es ist machbar. Deswegen gehst du jetzt bitte zum Arzt.» Und ich kann auch einen gewissen positiven Druck ausüben. Das mache ich auch, dass ich sage: «Ihr seid verpflichtet euren Kindern gegenüber. Ihr müsst zum Arzt gehen. Ihr müsst euch anschauen lassen.» Deswegen ist es für mich sowohl natürlich meine menschliche und soziale Verantwortung, aber natürlich auch, damit es für mich einen Abschluss findet. Damit ist es für mich so geschlossen. Und deswegen mache ich das so gerne in Rosa. (lacht)

Du musst es ja schon aus einer gewissen Überzeugung machen. Und wenn die Überzeugung da ist, dann reicht das ja.

Ich wäre nicht gut darin, wenn ich es nicht nur aus Überzeugung machen würde und auch wegen mir machen würde. Dann würde ich es vielleicht nur halbherzig machen oder würde sagen: «Ja, jetzt hat es nicht geklappt. Oder wir bekommen da nicht genügend Fundings oder genügend Geld für die Sache, dann lasse ich es, oder sowas. Nein, das kommt nicht infrage. Ich will das und das mache ich und ich kann das auch. Und ich bin da auch sehr «determined», sagen wir mal.

Ich sage immer, die Dosis macht das Gift. Man muss es natürlich schon dosiert einsetzen. Man kann das nicht immer so «wumms» – viele Menschen können damit entweder schlecht oder gar nicht umgehen. Man lebt ja nicht alleine. Man hat ein Umfeld und auch beruflich Partner. Also, man muss sich eben in einer gewissen Art und Weise anpassen und unterordnen. Da kommt das «humble» auch wieder. Aber natürlich sein Ziel nicht aus den Augen verlieren.

Haben Sie ein Vorbild oder einen Menschen, der Sie besonders beeinflusst hat?

Nein, ich habe kein Vorbild. Aber ich bin das auch nicht. Ich war nie stereotyp. Also, ich war nie ein stereotyper Mensch. Ich habe zwar immer Trends verfolgt. Natürlich auch. Das macht man ja immer, mal modisch oder wie auch immer. Aber ich war nie für mich ein stereotyper Mensch. Ich bin auch immer für mich selber gewesen, ob das jetzt bedeutete, glatte Haare oder wieder meine Naturlocken zu tragen oder länger oder kürzer oder irgendsowas. Ich war nie jemand, der in einem Look oder in der Rolle als Ehefrau oder der Rolle als Unternehmerin oder der Rolle als Tochter stagniert. Das war ich nie. Gar nicht mal, weil ich sage, das ist langweilig, sondern weil mich das einfach nicht mehr inspiriert hat. Und wahrscheinlich habe ich deswegen auch kein Vorbild.

Welchen Einfluss hat die Natur auf Ihr Leben?

Ich war eben erst 14 Tage in Portugal und habe geholfen bei der Olivenernte, was wahnsinnig schön war. Mal so rauszukommen aus dem Alltag und aus dem Büroalltag und so eine einfache Tätigkeit zu verrichten. Denn es ist ja eher körperlich und nicht mental. Und das hat mir so gutgetan, diese geistige Entspannung. Und trotzdem ist man ja am Abend müde, weil man was getan hat. Und für mich war das wie eine Pause im Kopf. Und Anton, unser Hund, war auch dabei. So wie er auch mit zur Arbeit in die Firma kommt. Wir sagen immer, er ist unser «Emotional Support Dog». Weil er sehr sensibel ist, mag er keine Lautstärke. Und deswegen sind wir alle sehr, wie sagt man, konditioniert, auf einem stillen Niveau zu arbeiten und hier auch keine emotionalen Ausbrüche zu haben, weil Anton das nicht mag. Und Menschen gegenüber würde man vielleicht noch sagen: «Ist mir egal!» Aber weil Anton so nett ist, macht man das mit ihm nicht. Das ist also sehr gut, wenn der hier ist. Wir haben immer eine gute Stimmung, wenn Anton da ist. Er hat mir auch während der Therapie sehr geholfen. Ich musste raus in die Natur und das hat mir gutgetan.

Das mag fast kitschig klingen, aber ich sehe den Englischen Garten nach meiner Krebserkrankung grüner und freue mich, wenn mein Hund morgens dort herumspringt. Ich schätze die Dinge, die ich habe, und trauere den anderen nicht mehr hinterher.

Wie sieht Ihre Utopie aus?

Ich bin ja eigentlich dadurch, dass ich so bodenständig bin, überhaupt nicht utopisch. Also das ist ja so, das klingt fast arrogant, aber ich bin wirklich zufrieden. Um jetzt mal nur von mir zu sprechen.

Ich bin wirklich zufrieden. Das ist eine Grundvoraussetzung für mein glückliches Leben: Dass ich tatsächlich mit mir zufrieden bin. Das hat gar nicht nur etwas mit meinem Eheleben zu tun oder mit meinem familiären Leben. Ich bin zufrieden. Ich habe festgestellt, dass ich als Mensch für andere nur liebenswürdig und auch lebenswert bin, wenn ich mit mir zufrieden bin. Natürlich gibt es zwei, drei Wünsche, wo ich sagen könnte, was ich mir für die Welt wünsche. Ob das relevant ist, weiß ich nicht. Ich bin natürlich mit vielen Sachen unzufrieden. Ich kann es an einem Beispiel erzählen. Ich werde oft gefragt als Unternehmer, ob ich ein antirassistisches Interview geben will oder wie meine Haltung zu Rassismus ist. Und dann sage ich immer, ich verstehe das gar nicht. Ich muss doch gar nicht erklären, dass ich nicht rassistisch bin. Also, ich war ja nie rassistisch. Deswegen muss ich auch nicht erklären, dass ich antirassistisch bin. Das ist ja jetzt gerade ganz hoch im Trend. Oder Black Lives Matter war ja jetzt so ein großes Ding. Wo ich gesagt habe: «Eigentlich zählen alle Leben. Nicht nur das gelbe, schwarze, weiße, grüne.» Ich finde, gerade wir hier in der Firma sind ein tolles Beispiel. Und das macht mich irrsinnig stolz. Wir haben, glaube ich, unter den 30 Mitarbeitenden 27 verschiedene Nationen. Und wir haben sehr viele kulturelle Clashs hier drin, weil die eine ein Kopftuch trägt und die andere trägt einen tiefen Ausschnitt bis zum Bauchnabel. Und der andere kocht aber gerne kurzgebratenes Schweinefleisch, weil er vom Balkan kommt. Und der andere ist aber Moslem und die Pfanne darf nicht mal in die Nähe von Schweinefleisch kommen. Und wir haben so ein kulturelles Durcheinander hier drin, das eigentlich wie der Turmbau zu Babel ist, weil so viele verschiedene Leute mit ihren verschiedenen Charakteren dann letztendlich für ein Ziel arbeiten und begeistert sind für die eine Sache, die sie hier drin machen, dass das total in den Hintergrund rückt. Wenn man den Menschen eine sinnvolle Aufgabe gibt, in der sie zusammen eine Zielsetzung sehen und es Spaß macht, dann ist alles andere egal.

Es ist trendy, es schreiben sich auch wahnsinnig viele große Unternehmen auf die Fahne. Die schreiben sich ja auch ihre Equality und was auch immer auf die Fahne. Ich sehe das in gewisser Weise als heuchlerisch an, weil es nämlich nicht von vorne bis hinten durchdacht ist. Es ist für mich auch keine Gleichstellung. Wenn man mal den Deckel hebt und mal guckt, wie das dann dahinter aussieht – dann ist das nur so ein Schlagwort. Das ist wie Greenwashing, dass man behauptet, man sei umweltfreundlich. Und eigentlich ist man es doch nicht. Deswegen will ich mich auf dieses Niveau nicht begeben, weil es hier effektiv täglich ganz anders praktiziert wird. Und wenn mich jemand fragt, der kann gern kommen und sich unseren Alltag anschauen. Das ist Erklärung genug.

Was würden Sie KrebspatientInnen raten?

Lassen Sie sich nicht verunsichern. Vertrauen Sie auf sich selbst. Wenn Sie kein gutes Gefühl haben, suchen Sie sich einen anderen Arzt. Ich habe gespürt, dass irgendwas nicht mit mir stimmt, und ich habe recht behalten.

Familie und Freunde sind wichtig, aber sie können nicht therapieren, und das ist auch nicht ihre Aufgabe. Ich kann nur an jeden appellieren, sich einen guten Onko-Psychologen zu suchen, der einen begleitet. Während der Therapie ist man so stark mit der Therapie beschäftigt, dass man sich selbst oft gar nicht mehr spürt. Ich kann nicht verstehen, wenn jemand sich in eine Krebsbehandlung begibt und keine psychologische Hilfe holt. Man muss das nicht allein durchstehen.

Normalität ist sehr wichtig – die Therapie darf nicht 100 Prozent des Lebens einnehmen. Mir half mein Hund sehr dabei. Den interessierte es nicht, ob es mir schlechtging. Der wollte raus und nervte so lange, bis ich mit ihm Gassi ging. Ich habe nie aufgehört, zu arbeiten. Ich habe stundenweise immer etwas gemacht, mich morgens angezogen und geschminkt. Wenn Sie so wollen, habe ich von Montag bis Freitag eine normale Woche geführt. Bis auf ein paar Ausnahmen, wenn mir die Chemo einen Strich durch die Rechnung machte.

Es gibt viele, die nicht darüber sprechen wollen, weil sie ihre Krankheit als Schwäche empfinden. Je mehr und je freier man darüber spricht, umso mehr kann man der Erkrankung den Schrecken nehmen. Man muss sich immer vor Augen halten: Es ist eine therapier- und in letzter Konsequenz in vielen Fällen auch heilbare Krankheit, das sollte an den Anfang der Therapie gerückt werden.

Portrait Katrin von Hallwyl | ikoo | 69 inspiring people
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